Ausstellung

DER WEISSE FADEN in Riddagshausen

DONNERSTAG, 3. APRIL, 2025

Zwischen den alten Mauern hallt das leise Echo vergangener Jahrhunderte, während das Licht durch hohe Fenster fällt und die Linien meiner Installation sanft umspielt. Der weiße Faden, zum ersten Mal außerhalb des Kokons, fügt sich in einen neuen Raum ein – ein Raum, der Geschichten trägt, Andacht kennt, Stille bewahrt.

Manche Überzeugungen sind wie innere Kompassnadeln, die beständig ihren Kurs halten, während andere eine Neubetrachtung erfordern – feine Justierungen im Lichte neuer Erfahrungen.

Die Ausstellung in Riddagshausen war eine bedeutsame Reise. Eine Reise zu mir selbst. Sie war untrennbar mit Verwundbarkeit verbunden – mit dem Mut, sich dieser Verwundbarkeit zu stellen, sie anzunehmen, sich selbst in all seiner Menschlichkeit zu sehen. Solche Momente lassen mich begreifen, wie fein die Linien sind, auf denen wir balancieren. Wie sehr das eigene Empfinden von Verwundbarkeit die Brücke bildet zum Verständnis für andere.

Doch Kunst ist nicht nur eine Reise nach innen. Sie ist Begegnung. Sie entsteht im Dazwischen, in den Blicken, in den Gesprächen, in der Berührung zweier Seelen, die sich für einen Moment einander öffnen.

Ich atmete die kühle Luft des Morgens, wenn ich das Gelände betrat, und spürte die Weite der Natur ringsum. Die Zeit floss hier anders, langsamer vielleicht, aufmerksamer.

Mit den Jugendlichen saß ich zwischen meinen Arbeiten, wir sprachen über das Verbindende, das Trennende, über Kunst und das, was sie in uns bewegte. Ich durfte Gedanken und Gefühle der Jugendlichen erleben. Die Zurückhaltung, das Zögern, das vorsichtige Öffnen – als wäre jede Geschichte eine zarte Pflanze, die erst wachsen muss. Ich sah den Mut, sich zu zeigen, das Flackern in den Augen, wenn ein Gedanke plötzlich laut wird. Ich versuchte, für jeden den Raum zu halten, in dem sie sich öffnen konnten – ohne Druck, ohne Erwartungen, einfach so, wie sie waren.

Auch die Gruppe der Erwachsenen hat mich tief berührt. Es war mein erster Workshop mit älteren Menschen, und es war bewegend zu spüren, wie sich Lebenserfahrungen zu Weisheit verdichten, wie Erinnerungen nicht verblassen, sondern in der Gegenwart weiterwirken.

Mit einem vollgepackten Wohnmobil, meinem Mann am Steuer, meinem Kind neben mir und unserem Hund begann diese Reise. Auto zu fahren hat mich nie interessiert, weshalb ich mich bewusst dagegen entschieden habe, einen Führerschein zu machen. Für die Workshop Woche blieb ich in Riddagshausen alleine. Ich musste schmunzeln, denn zum ersten Mal war ich für die Technik des Wohnmobils verantwortlich – Heizung, Wasserschläuche, Kabel - all das lag in meinen Händen. Ein kleiner Lernprozess.

Jeden Morgen begann mein Tag mit einer Joggingrunde am Kreuzteich. Oh, wie sehr ich diese Zeit liebte! Die frische Morgenluft, die goldenen Sonnenstreifen auf dem Boden, das sanfte Rufen der Vögel – als wäre ich Teil eines lebendigen Gemäldes. Nach dem Laufen wartete ein selbstgemachtes Frühstück auf mich, begleitet von einer dampfenden Tasse Kaffee. Das leise Brodeln der Kanne, der Duft von frisch gemahlenen Bohnen – kleine Rituale, die mich erdeten.

Die Workshops prägten den Rhythmus meiner Zeit in Riddagshausen. Vormittags, nachmittags – intensive Stunden des Zuhörens, des gemeinsamen Suchens nach Ausdruck. Doch es gab auch Zeiten ohne Workshops. Dann zog es mich nach Braunschweig. Eine halbe Stunde Fahrt, die mir Raum zum Beobachten gab. Die Welt fließte am Fenster vorbei, und ich sammelte Bilder, Gedanken, Atmosphären.

Die Abende kehrten mich wieder nach innen. Selbstgekochtes Essen, die Ruhe des Wohnmobils, das sanfte Atmen meines Hundes neben mir. Und ein Buch, das mich begleitete: Rick Rubin. Gefunden in einem kleinen Buchladen, wartete es nun darauf, mich in seine Seiten zu ziehen.

Diese Woche in Riddagshausen war mehr als eine Zeit des Arbeitens. Es war ein Leben in einer anderen Frequenz. Ein Dazwischen, in dem alles langsamer, bewusster wurde. Ein Raum der Reflexion, der Begegnung und der Veränderung. Ein Echo, das bleibt.

Wir lesen uns wieder, Eure Elena